Veränderung in der Distribution geht nur dann, wenn ich die Vergangenheit verstehe
- Carina Stegmayer
- 1. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Sept.
Hoteliers vs. OTAs – ein Streit mit Scheuklappen
Die Diskussion zwischen Hoteliers und OTAs (Online Travel Agencies) wird seit Jahren lauter – und sie ist oft festgefahren. Manche Hotels richten ihre gesamte Strategie ausschließlich darauf aus, wie sie auf OTAs bewertet werden. Sie schalten sogar Kampagnen, die über bestimmte Plattformen oder Apps günstigere Angebote zeigen als über die eigene Website.
Gleichzeitig sind viele nicht einmal bereit, 1% ihres Zimmerumsatzes in Aktivitäten für den Direktvertrieb zu investieren. Stattdessen wird ohne Plan in „Trend-Tools“ investiert – oft in der Hoffnung, dass allein ein CRM-System die Wende bringt. Doch was bringt ein CRM, wenn man nur die Gäste anspricht, die schon einmal da waren? Ein kleiner Teil wird darauf reagieren – aber ein Hotel kann sich nicht allein über Wiederkehrer füllen.
Warum funktionieren OTAs so gut?
Viele Hoteliers ärgern sich über hohe OTA-Kommissionen. Doch statt diese als „Abzocke“ zu sehen, lohnt es sich, genauer hinzuschauen:
OTAs haben ihre Verkaufsstrategien über 25 Jahre perfektioniert.
Sie investieren massiv in Technologie, KI und Verkaufspsychologie.
Sie sind präsent auf allen relevanten Plattformen und Kanälen.
Die Individualhotellerie dagegen war bis zum OTA-Boom kaum online buchbar. Hotels haben ihr Inventar bereitwillig in die Systeme geladen – oft sogar zu günstigeren Preisen als über Telefon, E-Mail oder GDS. Mit anderen Worten: Die Hoteliers selbst haben die Basis für die heutige OTA-Dominanz gelegt.
Die verpasste Chance im Direktvertrieb
Viele Hotels haben bis heute keine klare Direktvertriebsstrategie. Manche Webseiten sehen noch aus wie vor 20 Jahren, mit veralteten Bildern und ohne moderne Buchungsfunktionen. Gleichzeitig werden auf den OTAs aktuelle Bilder und optimierte Inhalte eingestellt.
Doch: Warum sollte ein Gast direkt buchen, wenn das Produkt identisch und austauschbar ist? Eine Bestpreisgarantie lockt niemanden mehr. Ohne Differenzierung, ohne attraktive Geschichten und ohne klare Positionierung bleibt die Direktbuchung chancenlos.
Digitalisierung statt Gastfreundschaft?
Einige Hotels reagieren auf den Kostendruck mit radikaler Digitalisierung: Automatisierte Check-ins, Chatbots, digitale Gästemappen und reduzierte Teams. Das spart Kosten – ja. Aber es führt auch zu austauschbaren, anonymen Produkten, die keinen bleibenden Wert für Gäste schaffen.
Ein Beispiel, das Hoffnung macht
Ein Hotel, mit dem ich seit Jahren zusammenarbeite, hat gezeigt, dass es anders geht:
Komplette Sanierung während Corona mit neuem Inventar und 40% Preissteigerung im ersten Jahr der Eröffnung.
Präferenzbasierte Buchung: Gäste konnten ihre individuellen Wünsche online auswählen – vom Blick auf den Leuchtturm bis zum Lieblingszimmer.
Reduzierte OTA-Abhängigkeit: Sichtbar bleiben, aber höhere Preise als auf der eigenen Seite.
Kreative Produkte wie „LeseZimmer“ oder „Lieblingszimmer“, die eigene Landingpages und Storytelling erhielten.
Kontinuierliche Teamarbeit zwischen Marketing, Sales und Revenue Management.
Das Ergebnis:
Direktbuchungen stiegen jedes Jahr.
OTA-Geschäft sank um ein Drittel.
Umsatzsteigerung >10%.
Gästezufriedenheit konstant hoch – 9 von 10 empfehlen das Haus uneingeschränkt weiter.
Was wir daraus lernen können
Dieses Beispiel zeigt: Veränderung gelingt nur mit Disziplin, klarer Strategie und Investition. Das Hotel investiert über 5% seines Zimmerumsatzes in kontinuierliche Marketingaktivitäten – abgestimmt und zielgerichtet.
Der Schlüssel liegt darin, das eigene Inventar unvergleichbar zu machen. Wer sein Zimmerprodukt standardisiert und austauschbar hält, wird im Preiskampf untergehen. Wer dagegen differenziert, Geschichten erzählt und kontinuierlich in Direktvertrieb investiert, kann den OTAs trotzen.
Fazit
Die Kritik an OTAs ist verständlich, aber oft eine Ausrede.
➡️ Wer Veränderung will, muss Verantwortung übernehmen.
➡️ Wer im Direktvertrieb erfolgreich sein will, muss investieren.
➡️ Wer differenzieren will, muss seine Produkte neu denken.
Alles andere führt nur in die Anonymität eines austauschbaren Unterkunftsprodukts, das niemand vermissen wird, wenn es verschwindet.
Mehr Information: info@gauvendi.com



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